Die Gemeindevertretersitzung am 19.06.2021, die auch als Livestream auf der Homepage der Gemeinde verfolgt werden konnte, begann mit einer kurzen Ansprache des Bürgervorstehers Manfred Beckmann zum Ableben des erst 69-jährigen Holger Hintz. Dieser war Gemeindevertreter für das „Bündnis für Bürger“ und Vorsitzender der „Siedlergemeinschaft Stockelsdorf Mitte“. In diesen beiden Funktionen ist er vielen Bürgerinnen und Bürgern durch eine Vielzahl von Aktivitäten bekannt geworden. Ein kleiner Trost mag sein, dass die von ihm initiierten Bepflanzungen der Flächen mit Narzissen und Krokussen vor dem Herrenhaus und an der Dorfstraße jedes Jahr zur Blütezeit wieder an ihn erinnern werden.
Nach einer Schweigeminute musste die Gemeindevertretung aber zur Tagesordnung übergehen. Herrschte bis zum TOP 7 noch Einvernehmen, wurde es beim Tagesordnungspunkt 8 (Perspektiven für die Unterbringung von Migranten) kontrovers und teilweise auch laut.
Thorsten Petersson betonte für die CDU-Fraktion die aus deren Sicht notwendige dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen und beauftragte die Verwaltung mit der Erstellung eines positiven Migrationskonzeptes. Weiterhin sollte die Verwaltung versuchen, mit dem Kreis eine Zuweisungsaussetzung für die Dauer von zwei Jahren zu vereinbaren. In dieser Zeit solle dann dezentraler Wohnraum durch private Investoren für die Flüchtlinge in Stockelsdorf geschaffen werden.
Die Positionen von SPD/FDP/UWG und (temporär auch der GRÜNEN) war eine andere: Wie Ralf Labeit für die SPD ausführte, sei die von der CDU angestrebte dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge zwar erstrebenswert, aber quantitativ allein durch private Investoren nicht realisierbar und vom „Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung“ auch weit entfernt. Immerhin sind in den nächsten 4 Jahren mindestens 70 Personen, im „Worst Case“ bis zu 180 Personen aufzunehmen. Die letzte Zahl gilt, falls befristet angemieteter Wohnraum von den Vermietern nicht verlängert wird.
Die Unterbringung der Flüchtlinge in den letzten 4 Jahren in angemieteten Wohnungen und Hotelappartments hat für die Gemeinde zu nicht erstatteten Kosten in Höhe von rund 1,3 Mio. € geführt. Dagegen wäre der Zinsaufwand für einen kreditfinanzierten Bau eine gemeindeeigene Wohnanlage mit geschätzten Kosten von rund 1,9 Mio. €. wesentlich wirtschaftlicher. Selbst der Bau eine weitere Wohnanlage wäre für die Gemeinde ungleich günstiger, als Mietraum von privaten Investoren anzumieten, zumal private Investoren der Gemeinde den Wohnraum nur befristet überlassen. Danach könnte z.B. nach 10 Jahren auch eine Umwandlung in Eigentumswohnungen erfolgen.
Lediglich die Unterbringung von Asylbewerbern im gemeindeeigenen Wohnheim, so haben die Berechnungen der Gemeindeverwaltung ergeben, ist für die Gemeinde kostenneutral.
Der Wohnungsmarkt in der Gemeinde Stockelsdorf ist leergefegt. Die Gemeinde hat allen bezahlbaren freien Wohnraum angemietet. Hinzu kommt, dass auch nicht alle Vermieter an Asylbewerber vermieten wollen.
Jens Andermann wies noch einmal nachdrücklich auf die Dringlichkeit für den Bau einer Wohnanlage hin und fragte, ob man denn z.B. im Falle der Kündigung angemieteter Appartements und Wohnungen die Leute in Turnhallen unterbringen solle.
Zündstoff gab es durch die Redebeiträge der SPD-Vertreter Karl-Ludwig Tretau und Carsten Büll, die nochmals die Wirtschaftlichkeit kommunaler Wohnanlagen betonten und die Frage aufwarfen, ob eventuell sachfremde Überlegungen bei der Präferierung privater Investoren durch die CDU eine Rolle spielen könnten.
Ralf Labeit brachte dann folgenden Antrag der SPD ein, der auch von der FDP und der UWG unterstützt wurde:
Die Verwaltung wird beauftragt, die Planung für den Bau einer schlichten kommunalen Wohnanlage an der Rudolf-Diesel-Straße dem Fachausschuss vorzulegen. Die Planungskosten sind außerplanmäßig in den Haushalt 2021 einzustellen.
Gedacht sei, so die Erläuterungen von Ralf Labeit, an eine kleine Wohneinheit für ca. 30 Personen, die sowohl von einheimischen Familien als auch von Flüchtlingsfamilien bewohnt wird. Alleinstehende Asylbewerber sollen nach Vorstellung der SPD dann in der demnächst neu zu errichtenden Containeranlage am Brandenbrooker Weg wohnen.
Nach einer Sitzungsunterbrechung passierte dann das, was der Bürgervorsteher Manfred Beckmann lobend als Beispiel für eine funktionierende und lebendige Demokratie bezeichnete: Der Anregung von Peter Hinzmann (FDP) folgend, wurde der Antrag der CDU (Migrationskonzept und Zuweisungsaussetzung) mit dem SPD-Antrag auf Bau einer kommunalen Wohnanlage kombiniert und einstimmig verabschiedet.