Ausführungen der SDP-Fraktion zum Infektionsschutzgesetz

Bild: Philip Häniche

Die geplanten Änderungen am Infektionsschutzgesetz haben in den letzten Tagen für breite Diskussionen gesorgt.
Auch wir als SPD-Landtagsfraktion haben dazu eine Reihe von Zuschriften erhalten. Der Fraktionsvorsitzende Ralf Stegner möchte daher gerne über
die Sondersitzung am 20.04.21 des Landtags zu den geplanten Änderungen informieren. Seine vollständige Landtagsrede finden Sie hier:

https://www.spd-fraktion-sh.de/2021/04/20/verhaeltnismaessigkeit-nachvollziehbarkeit-und-transparenzdarauf-kommt-es-an/

https://youtu.be/_hwFV7KxcYI

Das hat die SPD in Berlin durchgesetzt
Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass durch den Druck der SPD-Bundestagsfraktion in den vergangenen Tagen eine Reihe von Verbesserungen bei der geplanten Änderung erreicht werden konnten und zusätzlich gegen den Einsatz der Union ein umfangreiches Maßnahmenpaket durchgesetzt wurde. Teil davon ist unter anderem, dass:

  • Unternehmen beim Arbeitsschutz stärker in die Verantwortung genommen werden, um Mitarbeiterinnen
    und Mitarbeiter zu schützen
  • mehr Kindergeldkrankentage ermöglicht werden, um für viele Familien in der Doppelbelastung von
    Homeoffice und Homeschooling für etwas Erleichterung zu sorgen
  • ein zwei Milliarden Euro schweres Corona-Aufhol-Paket für Kinder und Jugendliche kommen wird, um die
    Folgen der Pandemie abzumildern.

Eine Übersicht zu den durchgesetzten Punkten finden Sie auf der Seite der Bundestagsfraktion:
https://www.spdfraktion.de/themen/zwei-tests-pro-woche-arbeitnehmer.

Künftig gilt die Notbremse
Kern der Änderungen am Infektionsschutzgesetz ist die Einführung einer Notbremse für Regionen mit besonders hohen Infektionszahlen. Vereinfacht dargestellt:
Bis zum Inzidenzwert von 100 regeln die Länder die Pandemiebekämpfung selbstständig auf Grundlage der Bund-Länder-Vereinbarungen. Überschreitet der Inzidenzwert in einzelnen Regionen die Inzidenz von 100, greift in diesen Regionen die neue Notbremse, die einheitliche und verbindliche Regeln vorgibt. Verschiedene Teile der Notbremse haben in der Öffentlichkeit zu Kritik geführt. Auch unsere Landtagsfraktion hat trotz der Nachbesserungen bei einem Teil der geplanten Änderungen Bauchschmerzen. Ralf Stegner möchte dazu exemplarisch zwei Punkte anführen:
Wir haben uns in Schleswig-Holstein bislang immer gegen Ausgangssperren ausgesprochen, die jetzt – in abgeschwächter Form – Teil der Vereinbarung sind. Wir halten diese Ausgangssperren nach wie vor für einen Einschnitt in Freiheitsrechte. Sie setzten auch an der eigentlich falschen Stelle an, weil es nicht darum geht, Menschen am Verlassen der eigenen, sondern am Betreten einer anderen Wohnung zu hindern.
Es bleibt auch ein Problem, dass die Inzidenzwerte nach wie vor der alleinige Maßstab sind. Zuletzt haben die Ostertage wieder einmal gezeigt, dass zum Beispiel durch weniger Tests über die Feiertage Infektionszahlen künstlich sinken. Auch berücksichtigt die neue Notbremse nicht, ob es regional ein diffuses Infektionsgeschehen gibt oder ob sogenannte Infektionscluster (z.B. durch Ausbrüche in Schlachthöfen oder Pflegeheimen) vorliegen. Trotz dieser problematischen Punkte unterstützt die Landtagsfraktion die neue Notbremse im Grundsatz.
Denn die bundesweit einheitlichen Regeln bei besonders hohen Inzidenzwerten sind insgesamt ein Fortschritt bei der Pandemiebekämpfung. Damit werden die teilweise schwer nachvollziehbaren Sonderwege einzelner Länder verhindert. Glücklicherweise sind die Zahlen derzeit in Schleswig-Holstein im bundesweiten Vergleich relativ niedrig. Aber: Verantwortung heißt für uns, das solidarisch mitzutragen, was erforderlich ist, um die Menschen bestmöglich zu schützen.

“Aufeinander aufpassen, um Schwächere zu schützen. Das ist unsere Verantwortung.” Ralf Stegner

Jamaika hat keine gemeinsame Linie
Die Jamaika-Koalition hat zum Infektionsschutzgesetz keine gemeinsame Linie. Vertreter der FDP haben in Berlin bereits angekündigt, gegen das Gesetz vor dem Verfassungsgericht zu klagen. Teile der Grünen wünschen sich hingegen noch sehr viel schärfere Regelungen. Und die CDU in Schleswig-Holstein ist derzeit vollauf damit beschäftigt, die Querelen im eigenen Landesverband wegen der Auseinandersetzung von Söder und Laschet in den Griff zu bekommen. Von diesen Koalitions-Unstimmigkeiten sollte ein Antrag in der heutigen Landtagssitzung
ablenken, dem unsere Fraktion darum nicht zugestimmt hat.
Wir werden auch in den kommenden Wochen sehr genau darauf achten, dass die Landesregierung sich nicht hinter Bundeszuständigkeiten versteckt. Die Umsetzungsverantwortung in Schleswig-Holstein, aber auch die Verantwortung dafür, dass niemand im Land auf der Strecke bleibt, liegt bei der Landesregierung. Nicht zuletzt durch unsere Zustimmung zu den Nachtragshaushalten im vergangenen Jahr haben wir der Landesregierung den
dafür notwendigen finanziellen Spielraum verschafft.

Experten wie Karl Lauterbach haben eine Hoffnung machende Prognose: Wenn wir das Impftempo beibehalten, werden die Infektionszahlen Ende Mai deutlich zurückgehen. Damit werden nicht alle Einschränkungen plötzlich enden. Aber es ist ein echter Hoffnungsschimmer, weil wir dann die Pandemie hoffentlich auch ohne drastische Maßnahmen wie der Notbremse in den Griff bekommen. Bis dahin gilt, dass diejenigen, die noch nicht geimpft sind, denselben Anspruch auf Schutz haben, wie unsere älteren Mitmenschen in den vergangenen Monaten. Denn die Berichte von den Intensivstationen zeigen, dass Corona auch für jüngere Menschen alles andere als ungefährlich ist. Darum werden wir jetzt noch einmal stärker für den stets zeitgemäßen Grundwert unserer Partei werben: Solidarität!
Ich wünsche Ihnen  und Ihren Familien, dass Sie gesund durch die nächsten Wochen kommen!

Dr. Ralf Stegner